In mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen laden wir andere Gruppen und Vereine zwecks Informationsaustausch und Vorträgen zu unseren offenen Treffen in unser derzeitiges Domizil, dem Leinelab Hackerspace ein. Auch Vorträge, Präsentationen, Projektvorstellungen oder Projektanfragen die aus den eigenen Reihen kommen, besprechen wir an diesen Abenden. In einem dieser Vorträge hat uns Joachim B. an diesem 1. Mittwochabend im August in sehr anschaulicher und strukturierter Weise die Funktion eines sehr preiswerten USB-Steckernetzteiles nähergebracht. Weiterhin hatten wir Stephan S. von der Technik-Garage aus dem Hackerspace Beckedorf eingeladen und gebeten uns einen etwas tieferen Einblick in die Arbeit des gemeinnützigen Vereins Technik-Garage e. V. und der Biotechnologie zu geben. Beide Vorträge waren sehr beeindruckend, weshalb ich hier erstmalig über solch einen Vortrag, hier jetzt speziell zur Biotechnologie berichten möchte. Der Beitrag zum USB-Steckernetzteil wird später noch an anderer Stelle hier im Blog behandelt.
Ankerpunkt der Arbeit der Technik-Garage ist die Biotechnologie. In der Biotechnologie wird nach Verfahren zur Herstellung von Produkten gesucht, in denen neben den klassischen Ingenieurwissenschaften, Physik und Chemie auch und insbesondere biologische Anteile eingebunden sind. Zu den beispielweise chemischen Katalysatoren gesellen sich so auch biologische Katalysatoren (Enzyme und ganze Zellen) und führen so vielfach zu Vereinfachungen und besserer Wirtschaftlichkeit. Zudem ist moderne Medizin eng mit Biotechnologie verwoben. Die Herstellung künstlicher Herzklappen, 3D-Druck von Knochen und die Herstellung vieler Medikamente wären ohne Biotechnologie nicht mehr vorstellbar. Kein modernes Waschmittel verzichtet auf die biotechnisch erzeugten Enzyme. Insulin zur Therapie von Diabetes entsteht in Bakterien ebenso wie viele Geschmacks- und Aromastoffe. Biotechnik ohne beispielsweise Elektrotechnik oder Werkstoffkunde wären allerdings auch nicht vorstellbar. Deshalb wird Biotechnologie gern auch als interdisziplinäre Wissenschaft beschrieben!
Typische Werkzeuge sind Mikroskop, Zentrifuge, Thermocycler und vor allem die Reinraumwerkbank und der Schüttelinkubator für Kulturen von Bakterien, Pilzen und Zellen von Pflanze und Tier, damit am Ende beispielsweise ein gut verträglicher, biologischer Kunststoff entstehen kann, der als Polymilchsäurefilament (PLA) auf dem 3D-Drucker nützliche Bauteile herstellt. Hier im Bild werden Bauteile für eine Spritzenkolbenpumpe gedruckt.
Die Spritzenpumpe wiederum kann Teil einer Pipettierstation (klinische Diagnostik) oder eines Titrators (chemische Analytik)sein, wie er bereits von der Technik-Garage auf der Maker Faire 2015 in Berlin vorgestellt wurde.
Milchsäure wird von dem Bakterium Lactobacillus acidophilus als Produkt einer Gärung hergestellt. Sie entsteht bei der Herstellung von Jogurt und Sauerkraut. Gereinigte Milchsäure wird soweit erhitzt, dass in einer Veresterung genannten, chemischen Reaktion Wasser abgespalten wird und der Kunststoff (PLA) entsteht. Nachteilig bei PLA ist unter anderem seine Wärmeempfindlichkeit. Der Kunststoff erweicht schon bei knapp über 50°C. Werden die Milchsäurebakterien „richtig“ gehalten und gefüttert, produzieren sie neben Milchsäure auch die Polyhydroxybuttersäure (PHB), einen Speicherstoff den auch menschliches Gewebe bilden und abbauen kann, der aber thermisch stabiler ist. Das PHB lagern sie unter bestimmten Bedingungen als Speicherstoff so ein, wie Menschen Fett einlagern. Die Firma Biomer hat sich auf dessen Anwendung spezialisiert.
PHB kann in einer Vielzahl von Organismen gebildet werden. Die Technik-Garage möchte zeigen, dass dieses Produkt aus Abfällen (Melasse) der Zuckerindustrie bilden hergestellt werden kann, bevor diese in die Biogasanlagen wandern. Es soll also ein weiteres Stück intelligente Wertschöpfung in die Verwertung der Zuckerrübe eingebaut werden. Ziel der Arbeiten ist das Auffinden der optimalen Bedingungen unter denen aus Reststoff-Melasse PHB in Bakterien erzeugt werden kann, die jeder Mensch im Darm hat und deren Verwendung risikolos und gesellschaftlich akzeptiert ist.
Die Milchsäurebakterien wurden bisher im Schüttelinkubator vermehrt. Deren prinzipielle Eignung und geeignete Medienzusammensetzungen wurden auf den Maker Faire 2015 in Hannover und Berlin vorgestellt. Schüttler sind für die Verarbeitung der beabsichtigten großen Mengen prinzipbedingt ungeeignet. Die nächsten Studien sind deshalb in Bioreaktoren durchzuführen, deren Bau die Technik-Garage gerade betreibt.
Zum Vortrag im Leinelab Hackerspace wurden zwei wesentliche Komponenten zum Bau und Betrieb von Bioreaktoren gezeigt
Bioreaktoren benötigen oft eine präzise Temperatursteuerung. Die vorgestellte Testversion des Open Temperators ist ein Umlauftemperierer, der Flüssigkeiten auf eine vorzugebende Temperatur mit Hilfe von in die CPU-Kühler eingelassenen Extruderheizpatronen erwärmt. Der zwischen den CPU-Kühlkörpern befindliche CPU-Wasserkühler nimmt seinerseits die Wärme auf und gibt sie an die ihn durchlaufende Flüssigkeit ab. Die Flüssigkeit war in diesem Fall Wasser, das mittels Aquarienpumpe durch den Kühler gepumpt wird.
Um die Temperaturen sicher im Griff zu haben, werden sowohl die Temperaturen der CPU-Kühler als auch die des Wasser über digitale Temperatursensoren DS18B20, die im OneWire-Bus geschaltet und mit einer Auflösung von 12 Bit betrieben wurden, im Arduino UNO ausgelesen. Die Leistung der Aquarienpumpe sowie der Heizpatronen steuert der Arduino über seine PWM-Ausgänge, an die TIP120 Darlington Transistoren angeschlossen sind. Zur Einstellung der Regelparameter wird ein RGB-LCD-Shield von Adafruit verwendet.
Im Bild hinter dem Open Temperator befindet sich die Open Neutra genannte Anlage zur Regelung des Säuregrades in Flüssigkeiten.
Auch diese Regelung basiert auf einem Arduino UNO und seiner Shield-Technologie. Als Sensor dient eine handelsübliche pH-Einstabmesskette mit BNC-Ausgang, die an einen Signalaufnehmer von Atlas-Scientific angeschlossen wurde. Der Signalaufnehmer seinerseits wird mittels SoftSerial digital vom Arduino ausgelesen. Das Besondere an dem System ist seine außerordentliche Langzeitstabilität. Das Messsystem braucht nur alle paar Monate rekalibriert zu werden, was es für den Betrieb am Bioreaktor prädestiniert. Ebenso wären über weitere Signalaufnehmer für den Betrieb des Bioreaktors wichtige Parameter wie gelöster Sauerstoff, Redox-Status und Leitfähigkeit zu messen.
Als Aktoren sind in der Open Neutra kleine Schlauchpumpen verwendet, die in einstellbaren Schüben definierte Mengen Lauge oder Base pumpen können. Die Schlauchpumpen treibt ein Motorshield von Adafruit. Die Anzeige und Einstellung der zu regelnden Parameter wie pH und Hysterese übernimmt wieder ein RGB-LCD-Button-Shield von Adafruit. Hier ist die Farbfunktion des RGB-Shield besonders wichtig, weil bei Überschreiten der Regelgrenze (basisch) das Display blau und bei Unterschreiten der Regelgrenze (sauer) das Display rot aufleuchtet.
Die letzte Folie der gut einstündigen Präsentation enthielt auch einen ausdrücklichen Dank an Massimo Banzi, einen der Schöpfer des Arduino-Konzeptes, dem ich mich hier gern anschließen möchte. Noch ist kein ausgebildeter Ingenieur der Elektrotechnik Mitglied im Team der Technik-Garage, aber durch das Konzept des Arduino erschließen sich Welten der Sensor- und Aktortechnik, der Regelungstechnik und vieles mehr auch den interessierten Laien. Das offene Konzept mit frei zugänglichen Bibliotheken und vielen Beispiellösungen aus einer riesigen Community lässt schnell zu funktionierenden Lösungen kommen. Das Erfolgserlebnis ist in kürzester Zeit garantiert.
Die letzten Beiträge des Vortrages waren Videos. Die Biotechnologie verwendet unter anderem fokussierte Laser zur Bewegung von Zellen oder Teilen von Zellen und zur Manipulation von Zellen und Zellbestandteilen. Das Video erläuterte zwar, aber ließ auch Fragen zu Möglichkeiten und Grenzen elektromagnetischer Strahlung offen. Eine Biotechnik funktioniert nicht ohne Technik, bleibt fundamentfrei ohne Naturwissenschaften.
Technik-Garage e. V.
Die Technik-Garage e. V. ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein. Sie unterstützt Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die Menschen aller Altersgruppen vorantreiben wollen. Sie bietet mit ihren Makerspaces in Beckedorf und Bückeburg sowie ihren Verbindungen zu Hochschulen (z.B. über iGEM-Teams in Bielefeld und Aachen) eine wachsende Infrastruktur vielfältigster Fertigkeiten und Kompetenzen. Die Mitgliederschaft bildet mit zum Beispiel Informatikern, Milchingenieurinnen, Molekularbiologinnen, Biologinnen, Biochemikern, Biotechnologen und weiteren ein Abbild des interdisziplinären Anspruchs. Ein Teil der Mitgliederschaft befindet sich in der Ausbildung, ein anderer Teil im Beruf.
Weitere Zusammenarbeit
Sozusagen als Ergebnis der nachfolgenden Diskussion zu diesem Vortrag von Stephan, sind wir weitgehend übereingekommen, die Kooperation zwischen der Technik-Garage e. V. und dem Arduino Treffpunkt Hannover zu intensivieren. Folgende Punkte wurden dazu bereits angesprochen:
- Ab etwa Oktober/November wird mit einer Abordnung der Arduino Treffpunkt Hannover der Technik-Garage einen Gegenbesuch abstatten. Unser Besuch soll dann von der Technik-Garage mit einem der Machertage koordiniert werden.
- Durch die Kontakte der Technik-Garage zu Schulen auch in Hannover, wird überlegt Arduino Einsteigerkurse in AGs mit und an den Schulen zu organisieren. Der Arduino Treffpunkt Hannover kann hier personell mit einigen Freiwilligen aus der Gruppe initial durchaus unterstützen. Terminlich und Inhaltlich muss alles noch abgestimmt werden. Die AGs sollten mit einem Einsteigergrundkurs beginnen, mit einem Aufbaukurs beispielsweise über den LED-Chaser weiterführen um damit eine stabile Plattform für weitere Experimente zu schaffen. Abschluss kann ein dritter Kurs mit einem speziellen biologischen Projekt bilden.
Wird das Angebot angenommen, kann durchaus darüber nachgedacht werden, wie eine kontinuierliche Unterstützung aussehen könnte.
Die Technik-Garage verfügt ansonsten bereits über 26 Arduino Nanos, Breadboards mit Jumperkabeln und Spannungsregelung. Die Bestände sollen in den nächsten Wochen um weitere Hardware zu kompletten Klassensätzen zu 20 Stück ergänzt werden. LEDs für Pflanzenzellinkubatoren werden in Kürze folgen, wie auch Lötstationen, Messgeräte usw.
- Bei Laser-Cutter-Arbeiten kann der Arduino Treffpunkt Hannover in Einzelfällen ebenfalls unterstützen. Rainer R. hatte seine grundsätzliche Bereitschaft dazu angeboten.
- Stephan S. versucht über den Techniksalon die Kontakte zum Laserzentrum in Garbsen zu erweitern und einen Referenten zum Thema Laserpinzette mit anschließender Diskussion der ableitbaren Erweiterungen und Ergänzungen einzuladen. Wenn das klappt, wird das mit Sicherheit wieder ein sehr spannender Abend.
Ausdrücklichen Dank an dieser Stelle an Stephan S. von der Technik-Garage e. V. ohne dessen technische Expertise dieser Beitrag nicht möglich gewesen wäre. Ich hoffe ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen wie ich beim Schreiben dieses Beitrages. Bei Interesse schaut gern einmal an einem Mittwochabend bei uns herein.
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